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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.08.2001
Aktenzeichen: 3Z BR 277/01
Rechtsgebiete: AuslG
Vorschriften:
AuslG § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 4 | |
AuslG § 64 Abs. 3 | |
AuslG § 42 Abs. 5 |
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Dr. Schreieder, Dr. Plößl und Dr. Denk
am 21. August 2001
in der Abschiebungshaftsache
auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen
beschlossen:
Tenor:
I. Der Beschluss des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 20. Juli 2001 wird aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Kempten (Allgäu) zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen, eines nach eigenen Angaben aus Syrien stammenden Kurden ungeklärter Staatsangehörigkeit.
Mit Beschluss vom 12.6.2001 ordnete das Amtsgericht gegen ihn zur Sicherung seiner Abschiebung mit sofortiger Wirksamkeit Abschiebungshaft auf die Dauer von längstens drei Monaten im Anschluss an die bestehende Untersuchungshaft an.
Die vom Betroffenen hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht am 20.7.2001 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde.
II.
Das zulässige Rechtsmittel führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Dieses hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt (§ 12 FGG).
1. Hinsichtlich des Haftgrundes des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG beruht die Würdigung des Sachverhalts durch das Landgericht ohne weitere Aufklärung des vom Betroffenen bestrittenen Vortrags der Ausländerbehörde auf einer nicht tragfähigen tatsächlichen Grundlage (vgl. BayObLG BayVB1 1998, 941/542).
Ein Wechsel des Aufenthaltsortes liegt nicht nur dann vor, wenn der Ausländer seine Wohnung wechselt, sondern auch dann, wenn er den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlässt (vgl. BayObLGZ 1993, 294/295). Nach dem Vortrag der Ausländerbehörde wurde der Betroffene bei Polizeikontrollen am 29.6.1999 und am 23.2.2000 nicht in der Gemeinschaftsunterkunft angetroffen; er hat auf Anschreiben der Ausländerbehörde im Mai und Juni i999 nicht reagiert, ist jedoch auf Vorladung am 14.7.1999 bei der Ausländerbehörde erschienen. Auf der Grundlage dieses Sachverhalts kann nicht hinreichend sicher auf die Unerreichbarkeit des Betroffenen in der Gemeinschaftsunterkunft geschlossen werden.
2. Hinsichtlich des Haftgrundes des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG hat das Landgericht den Verdacht, dass der Betroffene sich der Abschiebung entziehen will, daraus abgeleitet, dass dieser über keinen festen Wohnsitz verfüge, und keine sozialen Bindungen habe. Darüber hinaus habe der Betroffene ein erhebliches kriminelles Verhalten an den Tag gelegt. Während sich aus dem Nichtvorhandensein eines festen Wohnsitzes und dem Fehlen sozialer Bindungen nicht ohne weiteres auf eine entsprechende Entziehungsabsicht schließen lässt (vgl. BayObLG NVwZ-Beilage 1998, 124/125), kann der durch die Begehung von Straftaten gezeigten rechtsfeindlichen Gesinnung hierfür grundsätzlich eine erhebliche Indizwirkung zukommen (vgl. BayObLGZ 1991, 266/271; 1993, 154/156; KG FGPrax 1995, 128/129).
Die Beschwerdeentscheidung ermangelt jedoch auch insoweit einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage. Wird der Verdacht, dass der Betroffene sich der Abschiebung entziehen will, auf die in einer Straftat zum Ausdruck gekommene rechtsfeindliche Einstellung gestützt, setzt dies voraus, dass das Gericht von der Täterschaft des Betroffenen und von der Art und Schwere der Straftat überzeugt ist. Ist der Betroffene wie hier noch nicht rechtskräftig verurteilt, steht nichts entgegen, dass die Tatgerichte des Abschiebungshaftverfahrens sich die erforderliche Überzeugung auf der Grundlage des Ergebnisses der Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden bilden, falls dieses hierfür ausreicht. Die Kammer hat zu dem gegen den Betroffenen erhobenen Vorwurf jedoch weder den Betroffenen angehört noch die Strafakten beigezogen.
3. Das Landgericht hat auch außer acht gelassen, dass aufgrund der noch nicht rechtskräftigen Verurteilung des Betroffenen zu Freiheitsstrafe von zwei Jahren sechs Monaten § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG der Anordnung von Sicherungshaft entgegenstehen kann.
Die Vorschrift schließt Sicherungshaft aus, wenn die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate nicht durchgeführt werden kann und das bestehende Abschiebungshindernis vom Betroffenen nicht zu vertreten ist. Im Hinblick auf die Schwere des Tatvorwurfs kommt in Betracht, dass sich der staatliche Strafanspruch nicht innerhalb von drei Monaten ab Haftanordnung durch Einstellung, rechtskräftigen Freispruch oder Beendigung der Strafvollstreckung endgültig erledigt und der Betroffene innerhalb der genannten Frist nicht ohne die Zustimmung der Staatsanwaltschaft abgeschoben werden kann (§ 64 Abs. 3 AuslG; vgl. OLG Düsseldorf FGPrax 2001, 130; SchlHOLG FGPrax 2000, 167 m.w.N.).
Ende der Entscheidung
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